Nachdenken mit Christian
von Christian Wenger
Ich habe eine Geschichte auf Lager, die sich exakt so ereignet hat, wie ich sie erzähle.
Die Hauptperson ist ein ausgesprochen kluger Entwickler von Audiosystemen. Sein IQ soll um 170 liegen und wenn ich mit ihm spreche, muss ich mich warm anziehen. Was ihn besonders auszeichnet, ist seine Fähigkeit, den Dingen auf den Grund zu gehen.
Er hat ein am Markt erfolgreiches Lautsprechersystem entwickelt und setzt im Hochtonbereich einen sehr hochwertigen Treiber ein, der über eine Kalotte aus Aluminium verfügt. Der Kalotten-Hochtöner passt zudem sehr gut in die Kostenrechnung: Er ist nicht zu kostspielig und verfügt über ein gutes Preis-Leistungsverhältnis.
Der Hersteller des Treibers gehört zu den profiliertesten Herstellern in diesem Bereich. Man findet seine Treiber in vielen Lautsprechern im deutlich gehobenen Qualitätssegment. Das teuerste Modell bei den Kalotten-Hochtönern verfügt über eine Kalotte aus Beryllium. Das seltene Metall steht in der Wertschätzung ambitionierter Musikhörer mit Technik-Affinität klar über dem, eher gewöhnlichen, Aluminium.
Der Held meiner Geschichte war neugierig. Die beiden Metalle weisen sehr ähnliche Eigenschaften auf, was schon ein Blick auf das Periodensystem der Elemente verdeutlicht. Er verglich den 10 Mal teureren Beryllium-Hochtöner mit dem Aluminium-Typen. Die Ausgangslage für den Vergleich war sehr präzise. Die beiden Treiber wurden eingangs linearisiert und der Pegel war identisch.
Es klang tatsächlich eine schöne Nuance besser mit Beryllium doch mein Hauptdarsteller war sich nicht sicher, ob der Unterschied eine Folge des Materials ist. Er verglich die Konstruktion der beiden Treiber und stellte fest, dass der Beryllium-Kalotten-Hochtöner gegenüber dem Aluminium-Typen, eine andere Geometrie aufweist. Das leuchtete ihm ein. Er fand die Geometrie, also die Form der Kalotte, besser geeignet.
Der Antrieb, bestehend aus Schwingspule und Magnetsystem war ohnehin identisch. Er überlegte sich eine geringfügige Änderung bei der Schwingspule. Schliesslich sprach er mit dem Hersteller und erkundigte sich nach einem Versuchsmuster mit Alu-Kalotte übereinstimmender Geometrie mit dem Beryllium-Typen und veränderter Schwingspule. Der Hersteller machte mit.
Das Resultat war aufschlussreich. Der modifizierte Aluminium-Kalotten-Hochtöner erwies sich als klanglich identisch mit dem Typen mit Beryllium-Kalotte. Das Material war nicht die Ursache. Der Hersteller der Treiber bestätigte diese Feststellung. Sie klingen identisch.
Mein Hauptdarsteller setzte diesen Hochtontreiber fortan ein und bezahlt dafür in entsprechenden Mengen keinen Cent mehr als für den Original-Alu-Treiber. Sein Endprodukt wurde verbessert aber nicht verteuert. Der Hersteller der Treiber bekam die Erlaubnis, die Spezifikation der verbesserten Aluminium-Version frei und kostenlos zu verwenden.
Er tut es bis heute nicht.