von Urs Mühlemann
Im Rampenlicht steht hier eine Formation, die ich seit vier Jahren kenne und deren Platten ich immer wieder mit gespannter Erwartung kaufe, die nicht enttäuscht wird. Die Rede ist von Shake Stew, einer Jazzformation rund um Bandleader Lukas Kranzelbinder aus Wien, die derzeit die internationale Jazz-Szene aufmischt. Lebendige positive Musik, die einfach Spass macht.
Klanggewaltig und hypnotisch zugleich, sprühen die Musiker nur so vor Energie. Der geschüttelte Eintopf mit Zutaten aus Europa, USA, Afrika, kräftig gewürzt mit Einschüben aus verschiedenen Jazz-Subgenres, wird von der 2016 gegründete Band gekonnt rasant serviert. Treibende Rhythmen, Bläser mal schmetternd, mal virtuos, mal melodiös, Anleihen aus Afrobeats, Funk und Swing. Musik, die einen hypnotischen Bann entfaltet. Die entfesselte Dynamik und der rhythmische Sog ihrer Musik hat der Band einen Kult-Status eingebracht. Live kommen ihre Stärken besonders zum Tragen: Shake Stew kreieren kraftvolle, tanzbare, geerdete Musik, die aber auch zum Abheben einlädt und sich in trance-ähnliche Höhenflüge steigern kann und durchaus auch mal kurz in freejazzige Sphären abschweift. Am 16. Januar 2023 spielen sie im Zürcher Moods auf.
Allein schon die Instrumentierung ist bemerkenswert: ein Septett mit zwei Saxofonisten, zwei Bassisten, zwei Schlagzeugern und einem Trompeter. Quasi zwei Trios, die voneinander unabhängig agieren können oder sich umformieren zu einer kraftvollen Rhythmusgruppe hier und einem saftig-hymnischen Bläsersatz da. Dies ist auch ein Resultat von Kranzelbinders intensiver Beschäftigung mit diversen Ausdrucksformen afrikanischer Musik und dem ergänzenden Einsatz entsprechender Instrumente. Auch der kometenhafte Aufstieg sucht seinesgleichen: Ein ausverkauftes Debütalbum, eine viel beachtete Zusammenarbeit mit Shabaka Hutchings (RISE …) und Auftritte an sämtlichen renommierten Jazzfestivals von Frankfurt bis Montreal, von Istanbul bis Mexiko, sprechen für sich: Preis der deutschen Schallplattenkritik 2020, Gewinn des Deutschen Jazzpreises 2021 in der Kategorie «Band des Jahres International». In der Begründung war zu lesen: «Brillante Bläser bahnen sich den Weg durch brodelnde Rhythmen … Die Geschichte des Jazz klingt an, Afrikanisches, Futuristisches. Verortet ist das rasante Spiel … unüberhörbar im Hier und Jetzt. Die Musik schreit heraus und sie reflektiert zugleich, auch ohne verbale Verlautbarung spürt man die Dringlichkeit der Mitteilung. Die unausgesprochenen Zauberworte heissen Magie und Energie. … Shake Stew bringt etwas Kultisches in den aktuellen Jazz, eine Bereicherung.»
Shake Stew verstehen es durchaus, sich bewusst in Szene zu setzen, und ihre Musik glitzert und glänzt und reisst mit, dass es eine Freude ist. Die Alben haben wohl denselben Unterbau, aber unterschiedliche Ausrichtungen und je nach Gusto wird einem diese oder die andere Entwicklung besser zusagen. Ich mag GRIS GRIS ganz besonders.
Die Alben HEAT (2022), (A)LIVE (2020), GRIS GRIS (2019, Doppelalbum), RISE AND RISE AGAIN (2018), THE GOLDEN FANG (2017) können als LP, CD sowie Digital Download u.a. bei Bandcamp geordert werden. Auf shakestew.com/music finden sich viele hörenswerte Musikbeispiele.