Frischen Blues

Nach dem Jazz-Schwerpunkt im Sommerheft, will ich zwei Alben von jüngeren Blues Musikern besprechen, die seit einiger Zeit immer wieder auf meinem Plattenteller landen.

Von Peter Trübner

SETH LEE JONES: FLATHEAD. Horton Records 2021

Seth Lee Jones baut und restauriert in Tulsa, Oklahoma hauptberuflich Gitarren. Sicher weiss er deshalb so genau, wie der Blues auf einer Slide Gitarre klingen soll. Dass er ein Studium in klassischer Musik und Jazz abgeschlossen hat, erwartete ich beim Anhören von FLATHEAD nicht.

Denn er spielt die Slide Gitarre mit einer Lockerheit und einem Feeling für Boogie wie für langsamen Blues, das einfach traumhaft ist. Seth Lee Jones mit Gesang und Gitarre, Bo Hallford am Bass und Matt Teegarden an den Drums hatten bereits im Jahr 2018 eine CD: LIVE AT THE COLONY herausgebracht Für die Aufnahmen der 9 Songs auf dem zweiten Album FLATHEAD brauchten sie nur 7 ½ Stunden an einen Tag. Denn die FLATHEAD LP (jetzt wirklich als LP erhältlich, wenn auch mit Wartezeit beim Händler cede.ch) sollte das Feeling ihrer Liveauftritte in Tulsa einfangen. Das ist selbst im Vergleich zu der Live CD gelungen.

Wer in die Muddy Waters Komposition I can’t be satisfied am Anfang der A-Seite hineinhört, erlebt die erste Fremdfassung des Slide Stücks aus den 1950er Jahren, die das Original übertrifft.

Weitere Klassiker, die auf FLATHEAD eigenwillig mit deutlich rauem Feeling interpretiert wurden, sind: Roosevelt Syke’s Driving Wheel, Howlin Wolf’s You gonna wreck my life, Ray Charles’s Mary Ann und sogar der Country Klassiker Tulsa Time von Don Williams passt ins Album. Man hat immer wieder kurzfristig das Gefühl, Duane Allman wäre aus dem Jenseits aufgetaucht.

Die ausgesuchten Gitarren, der Röhren-Verstärker, sein Monitor erlauben Seth Lee Jones, jedem Stück den lässigen und dreckigen Blues-Sound zu verpassen, der seinen vollkommen eigenen Klang ausmacht. Die Begleitung durch Bass und Schlagzeug passt. Sein Gesang wirkt stellenweise aufgeraut wie von einer Metallfeile. Die Pressung ist ausgezeichnet.

CHRISTONE «KINGFISH» INGRAM: 662. Alligator Records 2021

Kingfish mit seiner ersten LP hatte ich bereits im Frühlingsheft 2020 vorgestellt. Dass ich jetzt seine zweite LP 662 empfehle, hat folgenden Hintergrund: Zu dritt fuhren wir am 20. Juli 2022 zur Freilichtbühne des Z 7 in Pratteln. Kingfish war als Vorgruppe von Ben Harper und den Innocent Criminals angekündigt.

Ich war hauptsächlich auf Ben Harper gespannt, über dessen Live-Auftritte ich nur Gutes gehört hatte. Doch ebenfalls freute ich mich, den inzwischen 23 Jahre alten Kingfish live sehen zu können.

Das Konzert von Christone «Kingfish» Ingram in Pratteln war eine Vorführung von dem, was sich auf einer Gitarre spielen lässt. Begleitet von zurückhaltendem Schlagzeug, Bass, Synthie Orgel/Klavier hatte Kingfish alle Freiheiten, um seine Lieder zu interpretieren. Spannend war dabei sein Ausflug weit vor die Bühne mitten ins Publikum des Z 7, wo er bei einem sehr langen Gitarrensolo hautnah zu erleben war.

Später wusste ich Ben Harper zwar zu schätzen mit seiner hohen Professionalität. Aber die Freude, die Kingfish bei zum Teil endlosen Improvisationen aufzeigte, die fehlte in den strengen Arrangements von Ben Harper.

662 als LP ist vielfältiger als dessen Debut KINGFISH. Im Debutalbum ist der starke Einfluss von Buddy Guy prägend zu hören. Immerhin hat Buddy Guy ihn als Bluesgitarristen gefördert, seitdem Kingfish erst 16 Jahre alt war. (Auf youtube lässt sich sehen, wie Buddy Guy Christone «Kingfish» Ingram auf seine Bühne holt und ihn dort seine Soli spielen lässt.)

662 bewegt sich zwischen Rock’n Roll auf dem Titelstück, treibendem Boogie wie auf My Bad und dreckig, langsamem Blues. Wer seine Stimme hört, mag kaum glauben, dass Christone «Kingfish» Ingram zum Zeitpunkt der Aufnahmen erst 22 Jahre alt war. Sein Spiel auf der E-Gitarre ist röhrend und immer wieder voller neuer Klänge. Auf den insgesamt 13 Stücken ist so viel zu entdecken. Zum Teil ist unglaublich, was hier zu hören ist. Kingfish hat mit seinen gerade einmal 22 Jahren Freude an allen Klängen, die er aus seiner Gitarre herauslocken kann. Das macht den Sound der LP aus. Von seiner Band wird er auf jedem Stück sauber begleitet. Der einzige Vorwurf, den ich habe, sind die wenigen Knistergeräusche auf einzelnen Leerrillen der zweiten LP-Seite. Doch daran haben das Presswerk und die Pressung auf purpurfarbenes Vinyl Schuld.