Schrebergärten

Nachdenken mit Christian

von Christian Wenger

Selbst Hersteller die einst Innovationen hervorbrachten, entwickeln sich irgendwann zur Marke, weil ihre Innovation kopiert und weiterentwickelt wurde. Die Marke ist die praktische Konsequenz, wenn die Einzigartigkeit des Produkts nicht mehr besteht. Natürlich betrifft das die Geräte und Tonträger, die uns am Herzen liegen, nicht. Mit Ausnahmen vielleicht. 

Linn als Beispiel kam mit einem Plattenspieler auf den Markt, der als (aus Linn’s Sicht) verbesserte Variante des TD160 von Thorens interpretiert wird. Vor über 10 Jahren tat sich Linn mit digitalen Netzwerkspielern auf höchstem Niveau hervor. Sie waren die ersten, dicht gefolgt von Naim. Sie waren die ersten, die keine CD-Spieler mehr bauten. Dazu gehörte Mut.

Später kamen dann alle. Linn verlagerte sich auf eine Markenstrategie mit allen dazugehörigen Massnahmen. Die Schaffung einer Markenwelt, in die man in dafür geschaffenen Brand-Stores eintauchen kann. Das Produkt steht nicht mehr im Mittelpunkt. Vergleiche mit Mitbewerbern sind nicht im Fokus. Es gibt aus Sicht der Marke nichts Vergleichbares. Von Alternativen spricht man nicht.

Die Wirkung solcher Premium-Marken-Strategien ist, am Beispiel von Bang & Olufsen dramatisch. B&O war einst ein wichtiger Player mit guten HiFi-Geräten. Heute wird in Asien produziert und die Marke ist beherrschend. Der Bekanntheitsgrad ist enorm. Wer das Metier nicht kennt, kennt auf jeden Fall Bang & Olufsen und sonst fast nichts. Die Qualität der Musikwiedergabe ist Nebensache, ob gut oder schlecht.

Schnelle Autos werden zu Porsche. Gutes HiFi wird zu Bang & Olufsen. Praktische Musikwiedergabe im Heim = Sonos. Die Marke tritt an die Stelle des individuellen Produkts für individuelle Bedürfnisse. Alle wollen dieselbe Uniform tragen. Damit spart man Zeit. Man braucht keine Entscheide zu treffen. Man kauft dasselbe, wie der Nachbar.

Alle wollen denselben Gärtner und die Gärten gleichen sich auf den Grashalm. Bis auf die Schrebergärten: Dort ist der Kampf um den grössten Kürbis und die schönsten Rosen in vollem Gang. Jeder hat ein geheimes Dünger-Gemisch und schielt neidisch auf die Stangenbohnen des Nachbarn.

Vielleicht sind wir mit Schrebergärtnern vergleichbar, aber wenigstens haben wir unseren Individualismus bewahrt.