Ein Schritt in die Zukunft

Der Chefredaktor unserer Vereins-Zeitschrift Urs Mühlemann tritt, wie schon seit längerem angekündigt, auf Ende 2020 zurück. Darum ist der Vorstand seit einer Weile intensiv auf der Suche nach einer Nachfolgelösung. 11 Mitglieder und der vollzählige Vorstand haben sich am 20. Juni 2020 im geschichtsträchtigen Saal des Bahnhofbuffets Olten getroffen um über die Zukunft unserer beliebten Publikation zu beraten.

Der Nachmittag war sehr fruchtbar und das Ergebnis erfreulich: eine Gruppe von 7 Vereinsmitgliedern wird sich der Aufgabe annehmen in kommenden Sitzungen und in Zusammenarbeit mit Urs Mühlemann, der den Übergang aktiv unterstützt, ein neues Redaktionsteam zu bilden und unser Heft sanft in eine neue Zukunft zu führen.

Von links nach rechts: Beat Keller, Markus Thomann, Peter Trübner, Pascal Vogel, Urs Mühlemann (Chefredaktion bisher), Ralph Hiestand, Thomas Nann Kniend: Sepp Wipfli, Urs Witschi (Schnittstelle zur Website und den Online-Medien)

Von links nach rechts: Beat Keller, Markus Thomann, Peter Trübner, Pascal Vogel, Urs Mühlemann (Chefredaktion bisher), Ralph Hiestand, Thomas Nann
Kniend: Sepp Wipfli, Urs Witschi (Schnittstelle zur Website und den Online-Medien)

Peter empfiehlt

von Peter Trübner

The Strokes: The New Abnormal

Mit jedem Hören wird mehr deutlich, wie der Produzent Rick Rubin nach den Aufnahmen von Johnny Cash American I-V oder von Black Sabbath 13 mit den Klangfarben einer Band spielt. In jedem Stück zeigt er, wie er diese enorm rhythmische Band mit Schlagzeug, Gitarren oder Gesang immer wieder neu und absolut eigenwillig klingen lässt. Die LP muss mehrmals gehört werden.

Etta James:  Matriarch Of The Blues

Jahre nach ihren grossartigen Aufnahmen in den Chess Studios hat Etta James sich an Klassiker des authentischen Rock und Blues heran gewagt. Ihre Söhne begleiten sie dabei an Schlagzeug und Bass. Herausgekommen ist eine perfekte, absolut detailgetreue Aufnahme, mit der sich Tonabnehmer hörbar vergleichen lassen.

Marians Jazzroom

von Thomas Breitinger

Unser Mitglied Kurt Bühler aus Bern hat mich auf Marians Jazzroom hingewiesen: «Da solltest du unbedingt mal hin». Gesagt getan. Am Freitag 7.2. war Duke Robillard & Band angesagt, zum einzigen Auftritt in der Schweiz, wohlgemerkt.

Ich kenne und schätze Duke seit ein paar Jahren, seit ich mich intensiv mit Blues auseinandersetze. Duke ist ein musikalischer Weltenbummler in vielen Stilrichtungen zwischen Blues und Jazz. Er war Gründungsmitglied bei Roomful of Blues und ersetzte Jimmie Vaughn bei den Fabulous Thunderbirds. Duke Robillard ist 71 Jahre alt. Duke spielte am Freitag im Marians Jazzroom, Teil des Hotel Innere Enge an der Engestrasse 51 (eine Tramstation nach dem Bierhübeli).

Das Hotel ist wunderschön gelegen und der Marians Jazzroom ist Teil dieses Hotels. Wer 1 Stunde früher vor Ort ist kann sich ein Konzert aus der langjährigen Geschichte des Jazzfestival Bern ansehen. Bei uns war es ein Auftritt von Mighty Sam McClain. Allein der war der Eintrittspreis von 30.- wert, für mich jedenfalls. Und das Set von Duke & Band war ebenfalls «auf dem Punkt». Der Sound war tiptop. Die etwas über 100 Sitzplätze sind so angelegt, dass die Bühne immer optimal im Sichtfeld liegt. Was will man mehr! Duke & Band spielten sich quer durch viele Facetten und Stilrichtungen des Blues. Neben der Gitarre von Duke war Klavier, Bass und Schlagzeug angesagt. Das Set dauerte gut anderthalb Stunden. Am Ende gab es CD’s zu verkaufen welche die Band auf Wunsch mit Datum und Unterschrift verschönerte. Ich möchte euch dieses Lokal ans Herz legen.

Herzliche Live-Grüsse, Thomas

Schrebergärten

Nachdenken mit Christian

von Christian Wenger

Selbst Hersteller die einst Innovationen hervorbrachten, entwickeln sich irgendwann zur Marke, weil ihre Innovation kopiert und weiterentwickelt wurde. Die Marke ist die praktische Konsequenz, wenn die Einzigartigkeit des Produkts nicht mehr besteht. Natürlich betrifft das die Geräte und Tonträger, die uns am Herzen liegen, nicht. Mit Ausnahmen vielleicht. 

Linn als Beispiel kam mit einem Plattenspieler auf den Markt, der als (aus Linn’s Sicht) verbesserte Variante des TD160 von Thorens interpretiert wird. Vor über 10 Jahren tat sich Linn mit digitalen Netzwerkspielern auf höchstem Niveau hervor. Sie waren die ersten, dicht gefolgt von Naim. Sie waren die ersten, die keine CD-Spieler mehr bauten. Dazu gehörte Mut.

Später kamen dann alle. Linn verlagerte sich auf eine Markenstrategie mit allen dazugehörigen Massnahmen. Die Schaffung einer Markenwelt, in die man in dafür geschaffenen Brand-Stores eintauchen kann. Das Produkt steht nicht mehr im Mittelpunkt. Vergleiche mit Mitbewerbern sind nicht im Fokus. Es gibt aus Sicht der Marke nichts Vergleichbares. Von Alternativen spricht man nicht.

Die Wirkung solcher Premium-Marken-Strategien ist, am Beispiel von Bang & Olufsen dramatisch. B&O war einst ein wichtiger Player mit guten HiFi-Geräten. Heute wird in Asien produziert und die Marke ist beherrschend. Der Bekanntheitsgrad ist enorm. Wer das Metier nicht kennt, kennt auf jeden Fall Bang & Olufsen und sonst fast nichts. Die Qualität der Musikwiedergabe ist Nebensache, ob gut oder schlecht.

Schnelle Autos werden zu Porsche. Gutes HiFi wird zu Bang & Olufsen. Praktische Musikwiedergabe im Heim = Sonos. Die Marke tritt an die Stelle des individuellen Produkts für individuelle Bedürfnisse. Alle wollen dieselbe Uniform tragen. Damit spart man Zeit. Man braucht keine Entscheide zu treffen. Man kauft dasselbe, wie der Nachbar.

Alle wollen denselben Gärtner und die Gärten gleichen sich auf den Grashalm. Bis auf die Schrebergärten: Dort ist der Kampf um den grössten Kürbis und die schönsten Rosen in vollem Gang. Jeder hat ein geheimes Dünger-Gemisch und schielt neidisch auf die Stangenbohnen des Nachbarn.

Vielleicht sind wir mit Schrebergärtnern vergleichbar, aber wenigstens haben wir unseren Individualismus bewahrt.

Weiss nicht was ich höre …

Nachdenken mit Christian

von Christian Wenger


Kürzlich nebenan in der Bäckerei. Ich trinke den Morgenkaffee an einem Samstag. Der Bäckermeister ist gerade lustig drauf und lässt mich nicht in Ruhe, eingehüllt in Kaffeeduft und meinen Gedanken. «Mein Nachbar ist das», sagt er zu jemandem und tippt mir auf die Schulter. Der Angesprochene Mitte fünfzig, oberflächlich humorvoll, entgegnet: «Das ist ja der mit den Hi-Fi-Anlagen, die man sich nicht leisten kann». Lachen. Ich lache auch. Wen meint er mit «man»? Dann folgt eine Bemerkung über die Plattenspieler im Schaufenster und dass er keinen Plattenspieler hätte aber viele Platten. So das Übliche. Im Westen nichts Neues.

Ich bemerke dann, dass Schallplatten wieder sehr populär seien. Warum tat ich das? Natürlich wusste er es bereits. «Ich habe überall Sonos zu Hause und ich weiss gar nicht was ich so für Musik höre». Das sei ebenso mit Sonos. «Ich höre nie Musik zu Hause, ich liebe die Ruhe», sagt der Bäckermeister und macht es unabsichtlich noch schlimmer. Heute geht er mir auf den Wecker. Ich kaue auf einem trockenen Sesam-Gipfel herum, vermutlich vor dem gestrigen Feiertag hergestellt, dann noch gekühlt und heute frisch aufgebacken. Dazu schüttet er noch Öl ins Feuer. Er liebt die Ruhe und der andere weiss nicht was er für Musik hört und mir bleibt der Gipfel im Hals stecken. 

Ich erfahre dann noch, dass die Musik einfach irgendwo herkommt. Vermutlich von Spotify, zufällig. Nichts gegen Sonos oder Spotify, das sind nur die Werkzeuge, aber warum wollen Leute Musik, wenn sie sich nicht dafür zu interessieren scheinen? Das erscheint mir schlimmer als der trockene Gipfel und mein Freund der Bäckermeister hört sich wenigstens gar nichts an. 

Die allgegenwärtige Berieselung mit beliebiger Musik ist nicht nur eine Zeiterscheinung. Es ist einerseits das Machwerk einer Industrie, die sich vom Kern der Sache abgewandt hat. Es geht nicht mehr um Musikverständnis und erlebte Qualität. Es geht um die Tassen-Suppe aus dem Beutel und um eine Marke, die dann von allen gekauft wird. Andererseits sind es die Käufer: Sie sind modern, informiert und desinteressiert. Sie wissen Bescheid und interessieren sich nicht, worüber sie Bescheid wissen. Ihre Aussagen ergeben keinen Sinn. Die Erklärungen sind ohne Zusammenhang und logische Abfolge. Niemand stellt eine Frage, alle quatschen etwas, als sei das Mundwerk eine lebenserhaltende Funktion und direkt mit dem Stammhirn gekoppelt, wie die Atmung.

In der guten alten Zeit musste man sich zu einem guten Teil für die Musik interessieren, die man hörte, denn man musste eine Auswahl treffen. - Mit Ausnahme von Radio, wo es auch um Unterhaltung und Information ging und geht. Auch im guten Teil der Gegenwart muss man eine Auswahl treffen: Wer zum Beispiel Roon als Geräte-übergreifende Mediathek und User-Interface nutzt, kann nicht einfach auf Zufallswiedergabe drücken. Man muss ein Album, einen Interpreten oder ein Genre wählen. Man muss, wie einst, seine Stimmung befragen. Dafür braucht es noch nicht einmal Schallplatte, auch wenn es damit am besten geht. 

Zum guten Glück erlebe ich auch Positives. Neugierige Menschen mit Interesse. Sie stellen Fragen, wollen sich informieren. Sie sind interessiert. Eine Frage des Intellekts vielleicht?

Analogforum am 17. November 2019 in Basel

Nach weiteren Abklärungen durch Thomas Breitinger (federführend) zeichnet sich das diesjährige Forum wie geplant und vielfach kommuniziert ab als gemütliches Beisammensein ( samt Mittagessen), kombiniert mit LP-Börse, Vorträgen, Musik und etwas Technik.

Programminhalte:

  • Grosse Vinylbörse mit Special Plattenreinigung 
    (Präsentation von 1 oder 2 Geräten, die wir bisher noch nicht am Stand hatten)

  • Drei Vorträge über den Tag verteilt:

    • 11:00 Uhr: Nick Joyce (Musikjournalist u.a. für die BaZ, die NZZ und SRF), Spezialgebiete Rock, Jazz, Punk, Blues – Thema: «Abbey Road – das Ende der Beatles, das Ende der 60er-Jahre»

    • 14:00 UHr: Simon Bordier (Musikjournalist u.a. für die BaZ), Spezialgebiet Klassik – Thema: «Tonträgerproduktion im Zeitalter von Streaming  und Spotify – Herausforderungen und überraschende Resultate im Bereich Klassik»

    • 15:30 Uhr: Dirk Noy (Geschäftsführer WSDG Acoustics) präsentiert «Akustik-Planung – der Bau eines Musikraums»

  • «Let’s hear music» – Musik geniessen! Thomas Breitinger spielt und präsentiert Musik aus seinem Leben

  • Christian Wenger präsentiert «Future-Fi: DSP-Aktivlautsprecher und die Liebe zur Schallplatte»

  • Technik / Do-it-yourself:

  • «Lautsprecherbau als Hobby» – unsere Mitglieder Vincent Werchmann und Uwe Machein erzählen von ihren Erfahrungen als Tüftler und Entwickler und führen zwei unterschiedliche Hornlautsprecherkonzepte vor

  • Essen und gute Gespräche!

Ort: Hotel Bildungszentrum, Missionsstrasse 21, Basel, 10:00 bis 17:30 Uhr

Wer Lust und Musse hat, der melde sich zum Essen an: Es erwartet dich ein reichhaltiges Buffet (mit und ohne Fleisch, Fisch, mit Dessert für CHF 31.– (ohne Getränke)). 

Bitte um Anmeldung (nur fürs Essen!): veranstaltungen@aaa-switzerland.ch

Das Sommerheft 2019 hat unsere Teilnehmer erreicht

front_sommer_2019.jpg

Unser Chefredaktor hat mit seinem Team von Schreibern wiederum ein Heft voller interessanter Artikel zusammengestellt. Von der Schellack-Archivierung über Schallplattenbürsten bis zu Psychedelischer Musik reichen die Themen. Auch über vergangene wie auch zukünftige Anlässe wird berichtet. Auf unserer Heftseite finden sich das Inhaltsverzeichnis und können einige Artikel als PDF gelesen werden.

Nachdenken mit Enzo – oder die ideale Stereobasis

Nicht nur Christian Wenger denkt haarscharf nach. Auch Enzo Schricker macht sich Gedanken. Gedanken zu den Gedanken von Christian. Kompliziert? Vielleicht, aber ich mag seine Musiktruhe. (U.W.)

enzo_musiktruhe.jpg

von Enzo Schricker

Da sind die pickelgesichtigen Vinyl-Fans, ähnlich aussehend, wie wir damals, die sich neuerdings auf ähnlich fragwürdige Plattenspieler stürzen, wie wir das früher ebenfalls getan haben. Das kommt mir irgendwie bekannt vor. Den Luxus allerdings, für einen solchen 300 Stutz auf den Ladentisch zu werfen, davon konnten wir allerdings nur träumen. Ein Drittel davon war das Höchste, was wir uns damals auch nur vorzustellen wagten.

Mein Einstieg: die Stereo(!)-Musiktruhe meiner Mutter. Diese stellten übrigens die Vorläufer moderner HiFi-Geräte dar. Diese Truhe aus den späten 50er-Jahren habe ich aus purer Dankbarkeit vor mehreren Entsorgungsvorgängen gerettet und bis heute aufbewahrt. Denn sie hat mir den Zugang zu den frühesten Stereo-LPs (!) möglich gemacht. Sie läuft übrigens heute noch. Ich sass am Boden und steckte meine Füsse unter ihr hindurch. Wenn diese die Rückwand berührten, erlebte ich eine optimale Stereobasis. So war das damals!

Die Worte "RIAA-Entzerrung", "Impedanz", "Kapazität" oder gar "Nachgiebigkeit des Nadelträgers" konnten wir damals nicht einmal korrekt aussprechen und uns natürlich auch nichts darunter vorstellen. Aber eben: auch "Zwerge haben klein angefangen" (Zitat von Werner Herzog). ALLE werdenden Fans müssen derart winzig in unser Hobby einsteigen.

Freilich gibt es den Massenkonsum, industrielle Grossproduktionen machen es möglich. Da sehe ich allerdings keinen Kulturbolschewismus, denn dieser sieht vielleicht schön aus, funktioniert aber nicht (das ist historisch belegt). Der Kapitalismus funktioniert jedoch ziemlich gut, einige mögen leider sagen.

Für die "Vinyl-Hunnen" möchte ich mich einsetzen, um Gnade und Nachsicht bitten. Um jene, die von einer gnadenlosen Pop-Industrie pausenlos zwangsernährt werden (man höre sich einmal versuchsweise in die 95% der Radiostationen hinein), wo zunehmend Plastination herrscht, was heissen mag, dass nicht nur äusserlich Alles immer massiver aus Plastik hergestellt wird, sondern auch innerlich.

Lernen: in unserem schönen Hobby besteht die Möglichkeit, nicht nur die technischen Aspekte zu erfassen, was durchaus Jahre in Anspruch nehmen kann, sondern auch die qualitativen. Was Musik überhaupt ist und was sie in uns zu bewirken imstande ist.